Autos


Vorbemerkung
Autos, mobiles Leben spielen in Turkmenistan eine bemerkenswerte Rolle. Regierung, Ministerien und Unternehmen fahren einen sehr modernen Fuhrpark, im wesentlichen bestehend aus Mercedes, Jeep, Dodge und Toyota Landcruiser. In der Bevölkerung sind natürlich sowjetische und russische Fahrzeuge aller Baujahre und Zustände reichlich vertreten, großvolumige BMW und Opel aller Typen sind sehr beliebt. Die Mehrzahl der westlichen Fahrzeuge wird aus Deutschland per Achse, begünstigt durch eine direkte Flugverbindung der Turkmenistan Airlines nach Frankfurt, oder aus den Arabischen Emiraten importiert. Die Motorisierung ist sehr hoch und wird begünstigt durch die äußerst niedrigen Kraftstoffpreise.
Autohäuser westlichen Zuschnitts gibts es inzwischen (Mai 2002) drei: Mercedes, BMW und Toyota & Ford. Das Gros der Serviceleistungen wird von freien, kleinen Handwerksfirmen erledigt.

POBEDA M-20

Eine leichtfertige Äußerung; eine gute Gelegenheit; Bekannte, die zu Freunden wurden- so läßt sich die Geschichte des Pobeda berichten.
Ein wenig dem automobilen Leben sind viele verfallen. Umso mehr fiel bei mir auf fruchtbaren Boden, als K. nach ihrem ersten Besuch in Ashgabat erwähnte, daß so ein klassisches russisches Fahrzeug eigentlich eine feine Sache wäre.
Während einer Geburtstagsfeier kurz darauf fragte ich mehr nebenher, ob es denn noch Pobeda in Turkmenistan gäbe. Nicht wissend, daß sich unter den engsten Verwandten einige wahre Spezialisten verbargen. Und: Der Pobeda gefiel mir wegen seiner klassischen Buckelform schon länger.
Eine Reihe von Vorschägen wurde gemacht: es gäbe noch alte BMW und EMW, selbst Mercedes wären zu finden in Rußland. die problemlos nach Turkmenistan zu bringen wären. Meinen Wunsch nach einem Pobeda fand die Runde unverständlich:
Wer kauft denn noch alte russische Autos?

2 Wochen später sah ich den Wagen zum ersten Mal.
Baujahr 1948, in einer Hand seit 1951, war das Auto bis 1996 noch gefahren worden. Danach verstarb der Besitzer und das Auto blieb auf dem Hof stehen. Zweifelnd, ob eine Restauration überhaupt Sinn mache, überprüften wir das Vorhandensein der sensiblen Teile (Chromleisten, Embleme, Radio und Uhr, Lenkrad usw.) Fast alles war komplett. Das Auto wurde im Dezember 2001 gekauft, die Restaurierung begann.

Die Bilder widerspiegeln ein bißchen den Ablauf, weniger die vielen kleinen Probleme, die auftraten. Es war meine erste Restaurierung, dies ist mein erster Oldtimer. Alte Hasen werden sicher lächeln.

Natürlich lief nicht alles wie ursprünglich geplant:
Ein schwer durchgerosteter vorderer Kotflügel muße komplett getauscht werden. Trotz der enormen Blechdicke war es dazu gekommen. Für diesen Zweck wurde ein weiterer, maroder Teilespender gekauft, dessen Vorderfront perfekt war.
Die Chromteile sollten neu veredelt werden. Reines Polieren hätte die kleinen Rostpickel nicht beseitigen können. Aber: Es gibt im ganzen Land keine Verchromerei mehr. Nach den aufwendigsten Ideen (mit Lufthansa nach Deutschland schicken oder nach Moskau fliegen, verchromen lassen und wieder zurückbringen) fanden wir eine einfachere Variante, die das gleiche Ergebnis brachte. Eine Galvanik- Firma in Ashgabat ließ sich überreden, eine neue Galvanik- Wanne für die 1,60 m langen Stoßstangen zu bauen. Trotzdem klappte es nicht ganz perfekt.
Einige Materialien mußten aus Deutschland mitgebracht werden. Kunstleder und Leder für Sitze und Verkleidungen, Kleber, Lenkradband fand ich hier einfach nicht. Nach der offiziellen Einfuhr per Lufthansa hörte ich dann, wo es selbiges sogar günstiger zu kaufen gibt.
Schießlich, fast am Ende, zeigte sich, daß im Getriebe ein Zahnrad zwei Zähne verloren hatte. Entweder der erste oder Rückwärtsgang wollten nicht. Eben dieses Zahnrad sollte es zwei lange Wochen nirgendwo geben.

Zugelassen wurde das Auto mit einer gelben (Ausländer-)- Nummer.
Nach einer ersten Probefahrt Anfang Juli dauerte es nochmals fast 2 Monate, bis alle Kleinigkeiten gerichtet waren.
Seit 23. August 2002 fährt er. Die erste Ausfahrt machte Spaß.
Ganz normal ist, daß an Ampeln Kaufangebote unterbreitet werden, Lada- und BMW- Fahrer uns anhalten und nach dem Fahrzeug fragen. Ebenso normal ist auch, daß in dieser kleinen Stadt nun alle den verrückten Deutschen kennen, der sich ein altes russisches Auto gekauft und wieder restauriert hat.
Zwischenzeitlich müssen allerdings noch mehr Leute auf den Geschmack gekommen sein: mir wurde berichtet, daß Ausländer jeden rostigen Wolga M21 kaufen, der irgendwo angeboten wird.
Ein neues Hobby der Expats?

Für mich wird das Auto vermutlich das schönste Souvenir, das ich mir aus Turkmenistan mitbringen kann. Auf die Spazierfahrt durch Berlin freue ich mich schon heute ...
Denn: Wer kauft schon alte russische Autos?